Nur 1/4 der Betriebe in Bremen bildet aus. Versprochen hatte die Handelskammer 2014 deutlich mehr. Heute verteidigt sich Herr Heidemeyer von der Handelskammer und erklärt, die Schuld liege eigentlich bei den Schulen, die – salopp gesagt – unbrauchbares Material anliefern würden. Deswegen seien auch 400 Stellen unbesetzt geblieben. Und es wären sogar noch mehr gewesen, gäbe es nicht die Jugendlichen aus den Vororten Bremens.
Es ist schon bitter für eine Gesellschaft, für die eine Ausbildung in einem Betrieb oder ein Studium den Weg in die spätere Berufstätigkeit weist, wenn die Ausbildenden den Jugendlichen die Türe vor der Nase zuschlagen mit der Bemerkung: „Selber schuld, ihr seid halt einfach zu blöd.“
Offenbar fühlen sich die Bremer Arbeitgeber ihrem Nachwuchs nicht verpflichtet. Sie halten die Jugendlichen für unpassend, nicht qualifiziert genug, so Herr Heidemeyer von der Handelskammer im Weser-Report, 10.2.2015. Der Vertreter der Wirtschaft erklärt, man würde ja ausbilden, wenn die Schulen nicht so unbrauchbares Material anliefern würden. Schuld sei die Schule in Bremen. Zack, fertig. Affe, resp. Ausbildung tot. Sie sind nicht die ersten Könige, die mir ihrem Volk unzufrieden sind.
Da Bremer Unternehmer offenbar nicht nur mit ihren Jugendlichen nix anfangen können, sondern auch mit dem Grundsatz, Eigentum verpflichtet, hier ein kleiner Exkurs:
Antike/Stoische Philosophie
Spuren einer Sozialpflichtigkeits-Theorie finden sich bereits in der Antike, etwa in Marcus Tullius Ciceros Schrift De officiis, basierend auf seiner Okkupationstheorie des Eigentums. Gemäß Cicero sollen wir „den gemeinsamen Nutzen in den Mittelpunkt stellen und durch gegenseitige Leistungen, durch Geben und Nehmen, ferner durch Fachkenntnisse, Hilfeleistung und materielle Mittel das Band der Zusammengehörigkeit der Menschen untereinander knüpfen.“
Quelle: Wikipedia
Heute gibt es bereits 7000 Bremer und Bremerhavener zwischen 18 und 24 Jahren ohne Berufsabschluss. Jeder 10. Jugendliche findet keinen Ausbildungplatz. So der Bericht zur Lage der Jugendlichen in HB.
Im Weser-Kurier.de lese ich: Bei einem 2014 geschlossenen Ausbildungspakt wurden für 2016/17 7800 Ausbildungsplätze versprochen. Heute gibt es gibt es 7150 Ausbildungsplätze in 3740 Betrieben, bei 16’000 Betrieben in HB insgesamt. Im Schnitt kommen so zwar auf jeden ausbildenden Betrieb zwei Lehrlinge, allerdings dürften darunter einige Grossbetriebe wie Daimler sein, die einen erheblichen Teil der Lehrstellen bieten. Damit dürfte die Bilanz der KMU noch verheerender aussehen.
Mit dem „Ausbildungspakt“ durften die Arbeitgeber 2014 mit dem Versprechen auf 7800 Ausbildungsplätze wohl staatliche Eingriffe noch abgewehrt haben. Eingehalten haben sie ihr Versprechen nicht. Heidemeyer/Handelskammer echauffiert sich heute sogar: „Die Behauptung, dass so wenig Betriebe in Bremen ausbilden, ist ein echter Witz.“ Das Gegenteil sei der Fall: „Im letzten Jahr sind 400 Ausbildungsplätze nicht besetzt worden. Die Unternehmer finden Bewerber aus dem niedersächsischen Umfeld passender“. Für Ortsunkundige: Mit dem „Umfeld“ meint er die Bewohner des Bremer Speckgürtels in Niedersachsen, die nach Bremen pendeln. Die Stadt selber zieht als Zentrumsmetropole eher die „schwierigen“ Bewohner der weiteren Region an.
Selbst wenn 400 Stellen tatsächlich nicht besetzt werden konnten, sind es immer noch 250 weniger als angesagt. Darüberhinaus wären die versprochenen Ausbildungsplätze eh nicht ausreichend gewesen, denn pro Jahrgang bleiben um die 1000 Jugendliche ohne Ausbildung. Die Zahl 1000 ergibt sich aus den 7000 ohne Ausbildung im Alter von 18-24, also sieben Jahrgänge, 7000 : 7 = 1000.
Unterm Strich bleiben jährlich nach wie vor etwa 1000 Jugendliche auf der Strecke, ohne Ausbildung, ohne Studium. Da die Bremer Wirtschaft entweder nicht in der Lage oder nicht Willens ist, auszubilden, und sich die Handelskammer/Wirtschaft bei dem Pakt 2014 entweder selber masslos überschätzt hat oder einfach falsche Stärke vorgegaukelt hat, wäre es Zeit für Massnahmen. Bonus/Malus bewährt sich in solchen Fällen eigentlich immer. Die, die nicht ausbilden, zahlen, die anderen bekommen was drauf. Die Betriebe, die noch ausbilden, schreiben das bitte gross an ihre Läden.
Da sich die Wirtschaft in Bremen de facto von der Verpflichtung zur Ausbildung seines eigenen – Bremer – Nachwuchses verabschiedet hat, soll man das auch so kommunizieren und die 3750 Betriebe und Lehrmeister hoch halten, die noch ausbilden.
Dieser neue 3. Weg sollte dann aber auch ohne Einfluss der Handelskammer gegangen werden. Da die Gesellschaft sich sowieso in einem gewaltigen Umbruch der Arbeitswelt ins digitale Zeitalter befindet, muss man auch nicht für Berufe/Arbeiten ausbilden, die eh keine Zukunft haben.
Nach dem Motto: Wir lassen keinen zurück: Für die Jugendlichen ohne Stelle müsste es umgehend adäquate Angebote geben, zugeschnitten auf die effektiven Fähigkeiten und tatsächlichen Bedürfnisse der Jugendlichen. Unter Einbeziehung von Lehrmeistern aus der Praxis, deren Zeitnachteil von den nicht ausbildenden Betrieben kompensiert werden muss, zzgl. einem Obulus.
Bitte machen.
Und hier noch ein Hinweis für das bessere Verständnis unserer Jugendlichen!