Am Freitagabend warnte die Bremer Polizei vor „Aktivitäten potentieller islamistischer Gefährder“ in Bremen, so die Pressemitteilung der HB-Polizei. Die ausschlaggebenden Hinweise kamen von einer nicht näher bezeichneten Bundesbehörde. Was dann seitens der Sicherheitsbehörden folgt, hat Bremen wohl so noch nicht gesehen: Die Polizei legte wegen der „möglichen Gefahrenlage mit islamistischem Hintergrund“ ein „Sicherheitsnetz über die Bremer Innenstadt“, „fuhr Schutzmaßnahmen“ und „verstärkte ihre Präsenz im Stadtgebiet„. Konkret war ein massives, teils schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot in der Stadt zu sehen.
Am Samstagabend spricht die Polizei zusätzlich auch von eigenen Erkenntnissen und solchen des Verfassungsschutzes. Auf der Pressekonferenz vom Sonntag 1.3.2015 erklärt Innensenator Mäurer/SPD, dass nach der Kombination der neuen Erkenntnisse „alle Lampen auf rot gegangen“ seien und „ein Anschlag in Bremen nicht mehr auszuschließen“ gewesen sei.
Neben dem „Sicherheitsnetz“ in der Stadt habe die Polizei am Samstag mehrere Personen kontrolliert, auch festgenommen, es wurden Wohnungen und Autos durchsucht, dort aber keine Kriegswaffen gefunden. Konkret ging es den Fahndern offenbar um die Wohnung eines Libanesen/39 in Bremen-Nord, der versuchte haben soll, grössere Mengen an Waffen zu besorgen, um sie dann an Menschen weiterzuleiten, die „einem islamischen Kulturzentrum in Bremen“ nahe stehen, so die AFP, nachzulesen etwa hier. Auch das Islamische Kulturzentrum am Breitenweg in der Nähe des Hauptbahnhofes wurde am Samstagabend durchsucht. Gemäss Radio Bremen wird das Zentrum seit Monaten vom Bremer Verfassungsschutz beobachtet, weil dort salafistische Aktivitäten vermutet werden. Zudem wurden am Samstag viele Autos und div. Personen überprüft. Zahlen wurden keine genannt. Beschlagnahmt wurden u.a. div. Datenträger, die noch ausgewertet werden sollen. Es gab mehrere Festnahmen, alle sind aber mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Es wurden keine Waffen gefunden.
Am Sonntag wurden „viele Maßnahmen zurückgestuft“, „das öffentliche Leben müsse weiter möglich sein“, so Innensenator Ulrich Mäurer/SPD auf der Pressekonferenz am Sonntag. Und weiter:
Es gibt in Bremen über 300 Salafisten.
19 Erwachsene und auch Kinder aus Bremen kämpfen bereits in Syrien und offenbar hätten noch mehr Personen aus Bremen ein „massives Interesse“, dort mitzukämpfen.
Der Anfang Dezember verbotene „Kultur- und Familienverein verfolgt eine besonders radikale Form des Salafismus.“
Seit Herbst 2014 gebe es Hinweise, dass Salafisten versuchten, sich zu bewaffnen.
Staatsanwaltschaft ermittelt seit Anfang 2015 gegen einen Libanesen/39 wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Konkreter Verdacht: Er habe sich „Kriegswaffen, Maschinen- und Automatik-Pistolen, über unbekannte Lieferanten beschafft“.
Im Fokus habe die Polizei einzelne Personen aus Bremen und eine „Gruppe von Personen“, die offenbar jetzt in Bremen ist, so Polizeipräsident Müller.
Verfassungsschutz-Präsident von Wachter sagte auf der selben Pressekonferenz gem. Radio Bremen: „Die Gefahr, wie sie gestern bestand, ist vorbei.“
Die Aussage von Polizeipräsident Müller, man habe sich „auf eine bestimmte Gruppe fokussiert“ und habe „Dinge tun müssen, um diese Personen zu verunsichern“, erklärt wohl am ehesten die Massnahmen der Polizei. Offenbar versuchte man, die Verdächtigen unter Druck zu setzen. Ob das gelang, ist unklar. Müller sagt: „Wir haben nicht genügend gefunden für Folgemaßnahmen.“
Unter dem Strich bleibt, dass gegen einen Mann seit Januar ermittelt wird, weil er Waffen für Salafisten besorgt haben soll. Welcher Art die Hinweise der ungenannten Bundesbehörde waren, bleibt offen. Und damit bleibt auch der Grund für das Verhalten der Polizei recht nebelig trüb.
Bedenklich, aber schon lange bekannt, sind die Hinweise auf die Salafisten-Szene in Bremen. Erschreckned, dass diese Menschen tatsächlich in den Krieg für die IS ziehen: In „buten und binnen“ vom 28.2.2015 ist die Rede von 15 Erwachsenen und 11 Kindern, die nach Syrien gegangen seien. Drei seien bereits tot, vier seien zurückgekehrt nach Bremen. 15 + 11 – 3 – 4 = 19 Das sind dann wohl die 19, von denen der Innensenator auf der Pressekonferenz sprach.
Einige Hintergrund-Informationen lieferte Radio Bremen im Januar mit der Sondersendung „Bremen radikal – Von Salafisten, Hooligans und Gotteskriegern“. Dort ist die Rede von über „360 Salafisten“ in Bremen. Die Stadt sei mittlerweile eine Hochburg dieser radikalen Islamisten. Jeder 6. Salafist sei gewaltbereit, so RB unter Berufung auf Behörden. Im Dezember 2014 wurde der 2007 gegründete Verein verboten, dessen Zentrum KuF in Gröpelingen durchsucht und die Moschee geschlossen. Gefeiert wurde die Schliessung damals u.a. von der Huffington Post: „Razzia in Bremen: Polizei schließt erste ISIS-Moschee in Deutschland“ Zwei Moscheen würden in Bremen vom Verfassungsschutz beobachtet. 15 Bremer seien in den Kampf für die IS nach Syrien gezogen. Drahtzieher sei Rene S., ein Konvertit, der zweimal versucht habe, in ein Terrorcamp zu reisen und der u.a. im Bremer Gefängnis versucht habe, Moslems zu radikalisieren. Mittlerweile sitzt Rene S. in Oldenburg ein. Im 2. Bericht der Sondersendung heisst es: Mittlerweile sind in Syrien bei der IS – neben den 15 Erwachsenen – elf Bremer Kinder (wirklich, Kinder? die sind max. 14 Jahre alt, gemeint sind doch wohl eher Jugendliche).
Die taz brachte übrigens einen lesenswerten Kommentar zum Thema.